Bemessung des Erwerbsschadens bei Selbstständigen

 

In Arzthaftungsfällen stellt der Verdienstausfall neben dem Schmerzensgeld und dem Haushaltsführungsschaden in der Regel die größte Einzelposition dar. Während sich bei Angestellten die Lohn-/Gehaltseinbußen relativ einfach auch für die Zukunft errechnen lassen, ist der künftige Erwerbsschaden bei Selbstständigen ungleich schwerer zu berechnen. Die Schwierigkeit liegt insbesondere darin, die künftige Entwicklung des Geschäftsbetriebes eines Selbstständigen zu beurteilen.

 

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Bei Selbstständigen bedarf es daher zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfallschaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von Ihnen betriebene Unternehmen ohne die Fehlbehandlung voraussichtlich entwickelt hätte. Für die Grundlagen der danach erforderlichen Prognose des erzielbaren Gewinns ist dabei nicht auf den Zeitpunkt des Schadensereignisses, sondern auf denjenigen der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen.

 

Dem Geschädigten kommen zwar Darlegungserleichterungen und Beweiserleichterungen nach § 252 BGB bzw. § 287 ZPO zugute, dennoch muss er konkrete Anknüpfungstatsachen darlegen und nachweisen, aus welchen sich die zukünftige Entwicklung ableiten lässt. Insoweit ist an die Geschäftsentwicklung und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen.

 

Da die Darlegung der hypothetischen Entwicklung eines Geschäftsbetriebes eines selbstständigen schwierig ist, dürfen keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden. Eine Klage darf daher nicht wegen lückenhaften Vortrags zur Schadensentstehung und Schadenshöhe abgewiesen werden, solange greifbare Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung vorhanden sind.

 

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Im Übrigen kann sich das Gericht auch nicht lediglich auf die beiden Jahre nach der Fehlbehandlung beschränken. Begründet wird dies damit, dass fehlbehandlungsbedingte Einnahmeausfälle nicht unmittelbar eintreten müssen, sondern auch erst nach einiger Zeit auftreten können (BGH, Urteil vom 19.09.2017, VI ZR 530/16).

 

Im vorliegenden Fall ging es um einen geschädigten Zahnarzt, welcher bestimmte endodontische Behandlungen nicht mehr vornehmen konnte und die Patienten daher an andere Ärzte verweisen musste. Dies kann dazu führen, dass sich ein Patientenstamm mit der Zeit insgesamt verkleinert. Darüber hinaus ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass Beeinträchtigungen aufgrund eines eingetretenen Körperschadens zwar anfänglich noch ausgeglichen werden können, dies aber nach einer gewissen Zeit nicht mehr möglich oder auch im Rahmen der dem Geschädigten grundsätzlich obliegenden Pflicht zur Schadensminderung nicht mehr zumutbar ist und die fehlbehandlungsbedingten Beeinträchtigungen daher erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung zu Einnahmeausfällen führen.

 

Des Weiteren ist auch immer zu prüfen, ob und in welcher Höhe der geschädigte Patient im streitgegenständlichen Zeitraum durch überpflichtmäßige Anstrengungen Kosten eingespart hat.

 

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=6ea99da4b870fcc8778e4154050f06b0&nr=79910&pos=0&anz=1