Kein Schmerzensgeld bei Weiterleben wegen lebenserhaltender Maßnahmen

 

Ansprüche aus Arzthaftung ergeben sich wegen fehlerhafter Behandlungen, welche bei dem Patienten zu einem Gesundheitsschaden oder schlimmstenfalls zum Tod führen. Der Bundesgerichtshof hatte nunmehr jedoch einen Fall zu entscheiden, bei dem der Fehlbehandlungsvorwurf nicht darin bestand, dass das Leben verkürzt worden, sondern darin, dass durch die Einleitung lebenserhaltender Maßnahmen eine Lebensverlängerung erfolgt ist.

 

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Der Bundesgerichtshof hat im Rahmen seiner Entscheidung klargestellt, dass das menschliche Leben ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig ist. Das Urteil über den Wert des Lebens steht keinem Dritten zu. Deshalb verbietet es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen. Aus dem durch lebenserhaltende Maßnahmen ermöglichten Weiterleben eines Patienten lässt sich daher ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld nicht herleiten (BGH, Urteil vom 02.04.2019, VI ZR 13/18).

 

Im entschiedenen Fall hatte der Sohn und Alleinerbe des Verstorbenen gegen den Behandler Ansprüche auf immateriellen und materiellen Schadenersatz wegen der künstlichen Ernährung seines Vaters geltend gemacht. Der Kläger war der Auffassung, dass durch die künstliche Ernährung eine sinnlose Verlängerung des krankheitsbedingten Leidens des über 80-jährigen multimorbiden Patienten erfolgt sei.

 

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Der künstlich ernährte Patient hatte es zuvor verabsäumt, selbstbestimmt zu entscheiden, ob er ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen will. Da dieser zu einer Willensäußerung nicht mehr in der Lage war und auch keine sogenannte Patientenverfügung errichtet hatte, konnte weder der tatsächlich geäußerte noch der mutmaßliche Wille des Patienten für die Entscheidung über die Vornahme oder das Unterlassen ärztlicher Maßnahmen eruiert werden.

 

Hätte der Patient im Rahmen seines Selbstbestimmungsrechts verfügt, lebenserhaltende Maßnahmen zu unterlassen und so das Sterben zu ermöglichen, hätte sich daraus allerdings lediglich ein Abwehranspruch gegen lebensverlängernde Maßnahmen ergeben. Auch in einem solchen Fall wäre das Weiterleben mit der damit zwangsläufig verbundenen Fortdauer der krankheitsbedingten Leiden jedoch nicht als Schaden anzusehen. Auch wenn der Patient somit selbst sein Leben als lebensunwert erachtet, ist dieses (Weiter-) Leben kein Schaden im juristischen Sinne.

 

Insbesondere dient die Aufklärungspflicht nicht dazu, den Erben das Vermögen möglichst ungeschmälert zu erhalten. Mit dieser Begründung hat das Gericht auch die von dem Kläger geltend gemachten materiellen Ansprüche (Behandlungs- und Pflegeaufwendungen) wegen unterlassener Aufklärung zurückgewiesen, da es an dem erforderlichen Schutzzweckzusammenhang zwischen einer etwaigen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten materiellen Schaden fehle.

 

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=fdde38c5468d4f0d65842de311c3ccd5&nr=95016&pos=0&anz=1

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