Hypothetische Einwilligung
Vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme ist der Behandelnde gem. § 630d BGB verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Lediglich wenn eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme (Notfallbehandlung) nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, darf diese ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.
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Im Gegensatz zur mutmaßlichen Einwilligung bei Notfallbehandlungen spricht man von einer hypothetischen Einwilligung, wenn eine Einwilligung zur Behandlung tatsächlich erteilt wurde, die Aufklärung jedoch unterblieben oder unzureichend gewesen ist.
Hintergrund ist, dass für eine wirksame Einwilligung gemäß § 630e BGB die vorherige Aufklärung des Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände der geplanten Behandlung Voraussetzung ist. Genügt eine Aufklärung nicht den gesetzlichen Anforderungen kann gegebenenfalls von einer hypothetischen Einwilligung ausgegangen werden. Eine solche ist zu bejahen, wenn der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte.
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Den Nachweis über diese Tatsache, an welchen strenge Anforderungen gestellt werden, muss allerdings der Behandelnde erbringen. Den Arzt trifft für seine Behauptung, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in den Eingriff eingewilligt hätte, die Beweislast jedoch erst dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts plausibel macht, dass er bei einer rechtzeitigen Aufklärung über die Behandlung vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte (BGH, Urteil vom 21.05.2019, VI ZR 119/18).
Ein echter Entscheidungskonflikt ist zu bejahen, wenn der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung ernsthaft erwogen hätte, auf den Eingriff oder die Behandlung zu verzichten oder sich in die Behandlung eines anderen Arztes zu begeben. Hierbei ist insbesondere im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen, dass nicht auf einen verständigen bzw. rational denkenden Patienten abgestellt wird. Maßgeblich ist nämlich nicht die objektive, sondern die subjektive Sicht des Patienten. Diese muss lediglich für das Gericht nachvollziehbar sein.
Eine Nachvollziehbarkeit wird jedoch verneint, wenn der streitgegenständliche Eingriff alternativlos war oder der zum Behandlungszeitpunkt bestehende Leidensdruck des Patienten hoch war.
Der Einwand der hypothetischen Einwilligung muss von dem Behandler zwingend erstinstanzlich und nicht lediglich konkludent erhoben werden, wenn ein Aufklärungsmangel vorliegt. Unterlässt er dies, erfolgt keine Prüfung von Amts wegen, sodass die Aufklärungsrüge durchgreift und eine Haftung des Arztes oder des Krankenhauses gegeben ist.