Risikoaufklärung mit der Häufigkeitsangabe „gelegentlich“

Ärztliche Heileingriffe bedürfen um rechtmäßig zu sein grundsätzlich der Einwilligung des Patienten. Die wirksame Einwilligung des Patienten setzt dabei dessen ordnungsgemäße Aufklärung unter anderem auch über die Risiken einer geplanten Operation voraus.

 

Rechtsanwalt Arzthaftungsrecht

 

Der Patient muss dabei im „Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufgeklärt werden. Dem Patienten muss eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Es ist insoweit allerdings nicht erforderlich, dem Patienten genaue oder annähernd genaue Prozentzahlen über die Möglichkeit der Verwirklichung eines Behandlungsrisikos mitzuteilen.

 

Erweckt aber der aufklärende Arzt beim Patienten durch die unzutreffende Darstellung der Risikohöhe eine falsche Vorstellung über das Ausmaß der mit der Behandlung verbundenen Gefahr und verharmlost dadurch ein verhältnismäßig häufig auftretendes Operationsrisiko, so kommt er seiner Aufklärungspflicht nicht in ausreichendem Maße nach.

 

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Der Bundesgerichtshof hat nunmehr einen Fall entschieden, in dem die Risikoaufklärung vor einer Prothesenoperation dahingehend erfolgte, dass es im Laufe der Zeit „gelegentlich“ zu einer Lockerung kommen könne. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass seine Einwilligung in den Eingriff in Ermangelung einer ordnungsgemäßen Aufklärung unwirksam gewesen sei, da das Risiko der Operation im Rahmen der Aufklärung heruntergespielt worden sei. Begründet hat der Kläger dies damit, dass die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Lockerung nach der Implantation einer Knieprothese nach den Ausführungen des Sachverständigen im Bereich von 8,71% liegt. Das Risiko sei daher mit „gelegentlich“ nicht hinreichend bezeichnet worden.

 

Zur weiteren Begründung wurde auf die in Beipackzetteln für Medikamente verwendeten Häufigkeitsdefinitionen des Medical Dictionary for Regulatory Activities (MedDRA), nach denen das Wort gelegentlich dahingehend zu verstehen ist, dass es sich um Nebenwirkungen handelt, die lediglich bei 0,1 bis 1% der Patienten auftreten, verwiesen.

 

Der Bundesgerichtshof hat nunmehr (BGH, Urteil vom 29.01.2019, VI ZR 117/18) klargestellt, dass sich Wahrscheinlichkeitsangaben im Rahmen der Selbstbestimmungs-aufklärung vor einer ärztlichen Behandlung nicht grundsätzlich nach den Definitionen des MedDRA richten.

 

Der Bundesgerichtshof begründet seine Auffassung mit dem allgemeinen Sprachverständnis des Wortes „gelegentlich“. Danach würde „gelegentlich“ in seiner Wortbedeutung eine gewisse Häufigkeit, die größer als selten, aber kleiner als häufig ist, bezeichnen. Eine statistische Häufigkeit im einstelligen Prozentbereich lasse sich daher nach allgemeinem Sprachgebrauch ohne weiteres unter den Begriff „gelegentlich“ fassen. Demgegenüber weiche der Sprachgebrauch im MedDRA vom allgemeinen Sprachgebrauch ab und sei daher nicht auf die Risikoaufklärung bzw. das Arzthaftungsrecht übertragbar.

 

Diese Entscheidung bedeutet für den Patienten, dass dieser bei einer Aufklärung dahingehend, dass ein „gelegentliches“ Risiko bestehe, von einem annähernd zehnprozentigen Risiko eines Misserfolgs der Operation ausgehen muss.

 

http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=260fb8760e5f66c993764d4b7e4fa67b&nr=93345&pos=0&anz=1

 

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