Ablehnung eines gerichtlich bestellten medizinischen Sachverständigen
Die Tatsache, dass ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt und dieser kausal für die eingetretene Gesundheitsschädigung ist, wird im gerichtlichen Verfahren durch die Einholung eines fachmedizinischen Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellt. Der Sachverständigenauswahl kommt somit im Rahmen des Arzthaftungsprozesses herausragende Bedeutung zu.
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Die Vorgehensweise der Arzthaftungskammern bei den Landgerichten ist insoweit unterschiedlich. Manche Gerichte bestellen einen Sachverständigen ohne vorherige Anhörung der Parteien, während andere Gerichte den Parteien zuvor – gegebenenfalls nach erfolgter Anfrage bei der örtlich zuständigen Ärztekammer – eine Liste mit möglichen Sachverständigen mit der Bitte um Stellungnahme zukommen lassen.
Letztendlich bestimmt jedoch immer das Prozessgericht die Auswahl des Sachverständigen. Die Parteien haben sodann nur noch die Möglichkeit, den Sachverständigen gemäß § 406 ZPO abzulehnen. Nach dieser Regelung kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden.
Der Bundesgerichtshof hat nunmehr entschieden, dass ein Sachverständiger von einer Partei abgelehnt werden kann, wenn er in derselben Sache in einem Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung als Sachverständiger mitgewirkt hat. Zu diesen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung zählen auch Verfahren vor den Gutachter- und Schlichtungsstellen der Landesärztekammern (BGH, Beschluss vom 13.12.2016 – VI ZB 1/16).
Begründet wird dies damit, dass ein Richter in Sachen, in denen er an einem Mediationsverfahren oder einem anderen Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung mitgewirkt hat, von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen ist. Ein Verfahren vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei einer Landesärztekammer stellt ein anderes Verfahren zur außergerichtlichen Konfliktbeilegung im Sinne des § 41 Nr. 8 ZPO dar.
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Darüber hinaus haben gerichtlich bestellte Sachverständige einen erheblichen Einfluss auf den Ausgang eines arzthaftungsrechtlichen Verfahrens, da die Gerichte in der Regel den von den Sachverständigen erstellten Gutachten folgen. Wenn jedoch Beteiligte einer außergerichtlichen Konfliktbeilegung nunmehr damit rechnen müssten, dass der Sachverständige seine in diesem (außergerichtlichen) Verfahren gewonnenen Eindrücke und Erkenntnisse ins spätere gerichtliche Verfahren transportiert, könnten sie sich veranlasst sehen, sich bereits im außergerichtlichen Konfliktbeilegungsverfahren in einer Weise zu verhalten, von der sie sich im Hinblick auf den Sachverständigen Vorteile für ein möglicherweise nachfolgendes gerichtliches Verfahren versprechen. Ein solches Taktieren soll jedoch zum Schutz einer offenen und vertrauensvollen Atmosphäre im außergerichtlichen Konfliktbeilegungsverfahren gerade verhindert werden. Abgestellt wird insoweit nicht auf die Auswirkungen in dem konkreten Fall, da eine Einzelfallprüfung unterbleibt.
Es bleibt dennoch jeder Partei unbenommen, ein in einem außergerichtlichen Konfliktbeilegungsverfahren erstattetes Sachverständigengutachten in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren im Wege des Urkundenbeweises in den Prozess einzuführen. D.h. dass zwar nicht derselbe Sachverständige im gerichtlichen Verfahren tätig werden, jedoch dessen Gutachten mit der Folge verwertet werden kann, dass sich der gerichtlich bestellte Gutachter mit diesem auseinanderzusetzen hat.